In einem entlegenen Winkel von Polen, unweit von Szczecin/Stettin,
Entdecken wir Elizabeth von Arnim und ihren Garten
Dieser entlegene Winkel von Polen birgt ein „Stück des literarischen und gärtnerischen Nachlasses der englischen Schriftstellerin Elizabeth von Arnim“, war einst auf der homepage von The Garden History Society zu lesen. Das stimmt. Dass der entlegene Winkel unentdeckt blieb, trifft allerdings nicht ganz zu. Hier nämlich errichteten die Polen der Schriftstellerin vor kurzem ein Denkmal.
Gibt es vielleicht irgendwo anders auf der Welt ein solches Denkmal? Seit drei Jahren findet in der Gemeinde, die heute Dobra heißt, ein Rosen-Festival mit der englischen Schriftstellerin als Schirmherrin statt. Kennt ihr etwa ein anderes Festival, das von dieser Persönlichkeit inspiriert ist? Elizabeth von Arnim, die als Mary Annette Beauchamp geboren wurde und in zweiter Ehe mit Frank Russell verheiratet war, eine Schriftstellerin, die lange Zeit vergessen war, erobert seit fast drei Jahrzehnten die Herzen einer neuen Generation von Lesern auf der ganzen Welt. Es wurde wahr, was der englische Erzähler Hugh Walpole nach ihrem Tod im Jahr 1941 schrieb: „Ich denke, dass ein oder zwei ihrer Bücher als Klassiker Bestand haben werden.“ So ist es, aber es kam noch besser, denn heute erscheinen alle ihre Bücher in verschiedenen Sprachen. „Sie hieß Mary Countess Russell, doch für uns alle wird sie immer die Autorin von Elizabeth and her German Garden bleiben“, schrieb Walpole ebenfalls. Das war prophetisch, wie sich zeigte, denn Elizabeth und ihr Garten sowie Verzauberter April wurden vor allem in den letzten Jahren immer wieder verlegt. Außerdem auch Einsamer Sommer, Anna Estcourt, Elizabeth auf Rügen, Die preußische Ehe, Alle meine Hunde und weitere Romane, die sich zu Elizabeth von Arnims Lebzeiten unter den Lesern großer Beliebtheit erfreuten und die ihr – die heutigen Verehrer ihres Werkes – einander als interessante Lektüre empfehlt.
Viele, die das Werk dieser Schriftstellerin bewundern, fragen nach dem Ort, an dem Elizabeth und ihr Garten entstand, ihre erste Erzählung, die heute auch Unmengen von Blumen- und Gartenfreunden beflügelt. Wir, die wir in dieser Gegend leben, fühlen uns daher dazu aufgerufen, den Interessierten mitzuteilen, dass das Dorf Nassenheide – in dem sich die englische Ehefrau des deutschen Aristokraten Henning von Arnim zur Schriftstellerin entwickelte – seit 1945, seit dem Zweiten Weltkrieg, auf der polnischen Seite der Grenze liegt und Rzędziny heißt. Von hier ist es nicht weit zur nächsten großen Stadt, nach Stettin, das nach dem Krieg ebenfalls seinen Namen änderte und zu Szczecin wurde.
„Da stand ich und fühlte dieselbe kindliche Verzückung beim ersten Frühlingshauch, und die fünf vergeudeten Jahre fielen wie ein Mantel von mir ab, und die Welt war hoffnungsvoll, und ich weihte mich unverzüglich der Natur, und seitdem bin ich glücklich“, schrieb Elizabeth in ihrer Debüterzählung über ihr Leben in der pommerschen Provinz, die sie im März 1896 zum ersten Mal erblickte. Dort sah sie zunächst den verwilderten Park, den sie später mit dem dazugehörigen Garten in ihr „himmlisches Königreich“ verwandelte. Heute ist hier auch ein Park. In ihm stehen mehr als hundert Jahre alte Bäume und erinnern an die Schriftstellerin, die einst unter ihnen spazieren ging.
Das große Herrenhaus der Arnims – „ein graues Steinhaus mit vielen Giebeln und einem unendlichen Labyrinth von Fluren“ –, das Frau von Arnim nach der Trennung von ihrem Mann im Jahr 1909 verließ, um mit ihren fünf Kindern nach London zu ziehen, fiel den Bomben alliierter Flugzeuge zum Opfer. Im Jahr 1944 bombardierten sie die Hydrierwerke im nahen Pölitz/Police, in denen synthetisches Benzin hergestellt wurde. Unter unmenschlichen Bedingungen arbeiteten und starben dort im Zweiten Weltkrieg Zehntausende Gefangene aus Ländern, die das Dritte Reich besiegt hatte. Von dem alten Herrenhaus sind ein paar Stufen der früheren Veranda geblieben. Hier saß und schrieb die junge Gräfin, von hier lief sie in den Garten und in den Park, um allein sein zu können und sich von der Muse küssen zu lassen. Einen Eindruck von ihrem „himmlischen Königreich“ vermitteln die farbigen Illustrationen von Simon Vedder, die die Ausgaben von Elizabeth and her German Garden vom Beginn des 20. Jahrhunderts schmückten. Auf einer von ihnen sitzt Elizabeth mit einem Buch an einem Bach. Und voller Freude können wir allen, die sich auf die Suche nach den Spuren der Schriftstellerin machen möchten, mitteilen, dass dieser Bach auch noch nach mehr als hundert Jahren die Grenze zwischen dem östlichen Teil des Parks und den Feldern bildet.
Was ist noch von jener Zeit geblieben? Zum Beispiel das Dorf, das sie auch in ihrem zweiten Roman Einsamer Sommer beschreibt. Auf einer Seite der Straße steht dort noch ein ehemaliges Vorwerkgebäude, auf der anderen einige eingeschossige Häuser aus dem 19. Jahrhundert. Ganz bestimmt hat die Gräfin von Arnim eines Tages eines von ihnen betreten, um „meine Freunde, die Landarbeiter“ zu besuchen, vor deren Häusern sie einen „aus unserem Wald gestohlenen Baum“ gesehen hatte.
Erhalten ist das Gebäude der einstigen Schule, die Elizabeth als Gutsherrin 1896 feierlich eröffnete, auch das frühere Inspektorhaus, die verfallene Brennerei, die der Ehemann der Schriftstellerin errichtet hatte, und im Nachbardorf Buk, dem früheren Böck, eine mittelalterliche Feldsteinkirche, zu der sie zum Gottesdienst fuhr. „Alle vierzehn Tage gehen wir um elf zum Morgengebet und sitzen auf der Empore in einer Art Privatloge mit einem Hinterraum“, beschreibt sie die Kirche in Elizabeth und ihr Garten. Erhalten sind der Barockaltar, den es schon zu Zeiten der Gräfin gab, und die Loge mit dem Hinterraum.
Vor dieser Kirche, in einer Rabatte voller Rosen, die Elizabeth von Arnim am meisten liebte und die sie in ihrem Garten in großen Mengen anpflanzte, steht ihr Denkmal. Aufgestellt wurde es im Frühjahr 2015 von der Gemeinde Dobra. Drei Jahre zuvor, als Elizabeth und ihr Garten in polnischer Übersetzung erschien, hatte die Gemeinde den Beschluss gefasst, an die hier unbekannte Schriftstellerin zu erinnern. Heute ist die Engländerin die Schirmherrin vieler Veranstaltungen, die hier das ganze Jahr über stattfinden – Begegnungen, Gärtner- und Floristen-Workshops, Radrennen und sportliche Wettkämpfe, die auch gemeinsam mit der deutschen Gemeinde Blankensee auf der anderen Seite der Grenze organisiert werden. All das endet mit dem Rosen-Festival – einer festlichen Veranstaltung mit Konzerten, Ausstellungen und Blumenpräsentationen, hauptsächlich Rosen, zu der Damen und Herren in historischen Gewändern erscheinen. Die Rose ist zum neuen Symbol der Gemeinde Dobra geworden. Ihre wichtige Rolle als Kulturförderin krönte die Gemeinde in diesem Jahr damit, dass sie das Werk Einsamer Sommer, den zweiten Teil von Elizabeth und ihr Garten, in polnischer Übersetzung herausgab.
Dieser entlegene Winkel von Polen mit seiner reichen Geschichte (man fand hier Spuren von Urzeitbewohnern, einer slawischen Burg, vom Dreißigjährigen Krieg und anderes mehr) wird seit langem von Menschen aufgesucht, die den Spuren der englischen Schriftstellerin nachgehen. Selbst wenn jemand von dem, was er hier vorfindet, enttäuscht ist, muss er doch zugeben, dass in dem Dorf und in dem Park etwas von der Atmosphäre ihrer ersten, stark autobiografischen Bücher erhalten geblieben ist.
„Ihre Bücher wirken noch immer inspirierend“, schrieb jemand im Internet. Sie inspirieren auch Menschen bei der Anlage ihrer eigenen Gärten. Und es ist nicht ausgeschlossen, dass hier irgendwann ein Teil von Elizabeths Garten wiedererstehen wird.
Liebe Freunde von Elizabeth von Arnim in Europa, Amerika, Australien und anderen Erdteilen! Eure Diskussionen in den verschiedenen Foren, Buchhandels- und selbst Garten-Blogs sind ungemein interessant und auch inspirierend. Ihr zeigt euch begeistert von der erstaunlich aktuellen Sprache dieser Schriftstellerin, ihrer Scharfsinnigkeit bei der Beurteilung der Wirklichkeit und ihrem köstlichen Humor. Wie viele von euch – die ihr in den verschiedensten Ländern lebt – haben bereits über die universellen Aussagen von Elizabeths Romanen geschrieben und verwundert entdeckt: „Elizabeth und ich sind einander ähnlich“? Wie viele haben schon konstatiert, dass das, was sie vor hundert Jahren schrieb, heute „überraschend aktuell, überraschend zeitgenössisch“ ist? Sehr, sehr viele. Sehr viele von euch begannen sich für die Bücher dieser Schriftstellerin auch dank der Fernsehserie Downton Abbey zu begeistern, in der der Umschlag von Elizabeth and her German Garden gezeigt wurde – eines ungewöhnlichen Buches, das so ungemein inhaltsreich ist. Und das die Seele heilt, wie ihr schreibt.
Herzerfreuend sind eure Ideen zu dem Thema, was in diesem „Winkel von Polen“, im heutigen Rzędziny entstehen könnte, ebenso eure Vorschläge für weitere Ausgaben der Bücher dieser Schriftstellerin. So wünschte sich jemand, dass Elizabeth und ihr Garten von Maggie Smith, der wunderbaren Großmutter, der Lady Violet in Downton Abbey, als audiobook gelesen werde; ein anderer schreibt: „Interessant wäre eine Ausgabe des Buches mit Abbildungen der Blumen, die Elizabeth so detailliert benennt.“
„Ist es nicht wunderbar? Gemeinsam entdecken wir Elizabeth“, begeistert sich ein anderer im Internet-Forum.
Wunderbar in der Tat.
Elżbieta Bruska
• Archivaufnahme, die die Schriftstellerin, einen Teil des Hauses und die Sonnenuhr auf dem Rondell zeigt
• Das Elizabeth von Arnim – Denkmal vor der Dorfkirche in Buk
• Fotos vom Rosen-Festival, das die Gemeinde Dobra jedes Jahr organisiert und dessen geistige Schirmherrin die Schriftstellerin ist